Barocke Harfenklänge im Münsterland

Dyckburg-Kirche Maria Himmelfahrt, Münster-Handorf (27. März 2022)

von Dr. phil. Ingo Negwer


Am nordöstlichen Stadtrand von Münster liegt recht abgeschieden die Dyckburg-Kirche, die auf eine von Johann Conrad Schlaun erbaute, 1740 geweihte Kapelle zurückgeht. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der ursprüngliche Sakralbau erheblich erweitert. Seit vielen Jahren finden dort die Dyckburger Konzerte statt. Alte Musik bildet den Kern dieser bemerkenswerten kleinen Konzertreihe, die von Gisela Uhlen-Tuyala – selbst professionelle Gambistin – mit unermüdlichem Engagement organisiert wird. Eine treue Fangemeinde, die die stets interessanten, unkonventionellen Programme und das familiäre Ambiente zu schätzen weiß, pilgert zahlreich und regelmäßig zu den Konzerten. Schon häufig durfte ich selbst mit verschiedenen Ensembles dort auftreten und die schöne Akustik der Kirche als Ausführender genießen. Nun hatte ich Gelegenheit, den renommierten Harfenisten Tom Daun in der Dyckburg-Kirche zu erleben.

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Dyckburg-Kirche  (Foto: Ingo Negwer)

Daum präsentierte sein aktuelles Programm „Die wohltemperierte Harfe“ mit Musik von Johann Sebastian Bach, Silvius Leopold Weiss, Esaias Reusner u.a. Die gleichnamige CD soll im Frühjahr dieses Jahres erscheinen. Zum Auftakt spielte er einige Sätze aus der Handschrift „Eine musicalische Rüstkammer auf der Harfe“, die 1719 in Leipzig angefertigt wurde. Tom Daun verwendete eine sogenannte Arpia Doppia, einen um 1620 in Italien entwickelten Harfentypus, der über einen vollständigen chromatischen Tonumfang verfügt. Die Harfe war in Mitteldeutschland während der Barockzeit durchaus beliebt und verbreitet. Allerdings ist nur wenig Originalmusik erhalten. So liegt es nahe, dass Daum Werke arrangierte, die ursprünglich für ein anderes seinerzeit in dieser Region noch recht populäres Instrument bestimmt waren: für die Laute. Den Freunden barocker Lautenmusik mag daher das eine oder andere Stück, das der Harfenist ebenso intim wie raumfüllend  in der Dyckburg-Kirche erklingen ließ, bekannt gewesen sein, zum Beispiel die Fantasie c-Moll von Weiss oder das kleine Präludium BWV 999 von Bach. Auch das C-Dur-Präludium aus Johann Sebastian Bachs Wohltemperierten Klavier (Teil 1) hatte, auf der Arpa Doppia gespielt, einen ganz besonderen Reiz.

Kurzweilig und informativ führte Daum selbst durch das einstündige Programm. Die Aria „Erbauliche Gedanken eines Tobackrauchers“ aus dem Notenbüchlein der Anna-Magdalena Bach, möglicherweise von Bachs Sohn Gottfried Heinrich (1724-1763) komponiert, trug er im Wechsel mit der Rezitation des Textes vor. Schließlich wechselte er das Instrument, um auf einer böhmischen Harfe mit einigen volkstümlich anmutenden Tänzen aus einer westfälischen Sammlung originaler Harfenmusik das Programm zu beschließen. Lang anhaltender Applaus war der verdiente Lohn. Tom Daum zeigte sich zusammen mit Redur Saher auf besondere Weise erkenntlich. Der jesidische Musiker verließ den Mischpult, an dem er im Hintergrund das Konzert mitgeschnitten hatte, nahm seine Baglama (eine orientalische Langhalslaute) zur Hand, um mit virtuosem Spiel und angenehmer Singstimme zusammen mit Tom Daum an der Harfe mit einer orientalischen Zugabe Dank zu sagen.

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Tom Daun  (Foto: Frank Reimann)


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